Review,2012 (German)

by Motoaki Yoshizaki
Vizedirektor des Sapporo Art Museums

Das wirklich auffälligste Element an Shinsaku Horitas Werk ist wohl die Aneinanderreihung der länglichen Aluminiumplatten, die als Träger eingesetzt werden. Dabei verflechten sich zwei Teile: dezent funkelndes Fundament, das anodisch oxidierte und dessen Oberfläche im Anschluss glänzend geglättet wurde, und silbrig gefärbte Abschnitte. Im sorgfältig ausgewählten Silberton lässt Horita scharfe Streifenmuster und ein nicht griffiges Bild mit Tiefe erscheinen. Dass diese beiden Teile meistens zusammen auftreten, gehört auch zu den Eigenschaften seiner Werke.
Die beiden Flächen wirken auf den ersten Blick identisch, doch sind dort geringfügig variierende Bilder zu sehen. So fahren die Blicke der Betrachter zwischen beiden hin und her, als würden sie die Unterschiede lüften wollen. Dieser Vorgang bringt die Betrachter zur Auflösung. Die Ähnlichkeiten der beiden Flächen entstehen beim Konstruktionsprozess. Zunächst werden zwei unterschiedliche Werke gezeichnet. Danach werden die Gemälde in schmale Scheiben zerteilt und abwechselnd positioniert. So entsteht das Fundament. Dies ist eine Vermischung aus zwei unterschiedlichen Flächen, sprich das Werk entsteht bei einer Prozedur, die der Entstehung von Lebewesen durch den Austausch weiblicher und männlicher Gene ähnelt. Gelegentlich werden auch obere Teile mit unteren ausgewechselt, oder Ausschnitte gleicher Werke getauscht oder Bereiche dreier oder mehrerer Werke ersetzt.
Horita arbeitet seit über zehn Jahren an solch einer Darstellungsmöglichkeit. Meines Erachtens sind darin einige wichtige Elemente versteckt. Eins davon ist die Tatsache, dass Horita ein Künstler ist, der sich ernsthaft mit der prinzipiellen Frage „Was ist ein Gemälde?“ beschäftigt. In der heutigen Gesellschaft werden wir von unzähligen Eindrücken ausgedruckter Fotos oder Bildern auf Monitoren überschwemmt. Dabei versucht er den Sinn zu ergründen, weshalb der Mensch mit Gemälden in Berührung kommt. Quasi eine Reise auf der Suche nach dem Reiz der Gemälde, den man erst dann spürt, wenn man vor dem Original steht.
Diese Suche führt zu der überwältigenden Größe und Ausstrahlung der Materie seines Werkes, und auch zu der Tatsache, dass sich die Eigenschaft der Werke je nach Ansichtswinkel ändert.
Seine Werke entstehen nur nach exakter Berechnung und durch seinen scharfen Sinn für Ästhetik. In den Werken sind verschiedene Formen zu sehen, und nicht wenige davon lassen uns an Berge, Seen, Schneefelder, Wasserreflektionen und andere Landschaften aus unserem Gedächtnis denken. Einst schrieb Horita folgendes:
„Der Mensch glaubt nicht daran, was er sieht, sondern er sieht das, woran er glaubt. Wer mein Gemälde sieht, versucht ein klares Image zu finden. Doch so ein greifbares Image spiegelt nur das Herz des Betrachters. Mein Gemälde ist nicht figürlich, sondern es erscheint nur das Image auf meinem Gemälde, wonach das Herz des Betrachters sucht.“ (Aus der Ausstellung »The journey ist the reward«, 1998)
Das ist in der Tat richtig. Nicht alles ist gleich ein »Gemälde«, was auf einer Fläche dargestellt wird. Der Sinn eines Gemäldes entsteht erst dann, wenn der Betrachter dem Gemälde gegenübersteht und sein Herz bewegt wird.
Ein weiteres Element wäre, dass er in der Präfektur Hokkaido mit ihrer relativ kurzen Geschichte aufgewachsen ist, und dort noch heute an seinen Werken arbeitet. Das moderne Gemälde in Japan hat sich unter einem starken westeuropäischen Einfluss entwickelt. Ein Vorgang, bei dem die Japaner versucht haben, sich die historische Darstellungsweise aus Westeuropa mit Ölfarbe und Leinwand zu Eigen zu machen. Japan hat auch eine eigentümliche Maltechnik, bei der die Mineralfarbe oder Tinte mit Leim auf Papier oder Seide fixiert wird. Diese Technik wurde zusammen mit ihrer charakteristischen Ästhetik bis heute überliefert. Horita weiß, dass er inmitten einer solchen Entwicklung steht. Er weiß auch, dass er von vielfältigen Tendenzen der Gemälde inspiriert und vor allem sehr stark vom amerikanischen abstrakten Expressionismus beeinflusst wird.
Jedoch sind nur etwas mehr als hundert Jahre vergangen, seitdem das Gebiet erschlossen wurde, das er als Stützpunkt nutzt. In diesem Land fehlt die Gewichtung der Kultur, die sich im Alltagsleben durchgesetzt hat. Das führte zu einem gewissen Komplex in ihm. Höchstwahrscheinlich besitzt er gerade deshalb den starken Willen, mit einer eigenen Darstellungsart, die sonst niemand auf der Welt hat, einen absolut neuen Gemälderaum zu erschaffen, frei von traditionellen Methoden aus Westeuropa oder Japan. Die Präfektur Hokkaido liegt in einer Kältezone, die etwa ein Drittel des Jahres mit Schnee bedeckt ist. Die Schärfe, das kühle Licht und die klare transparente Atmosphäre, die seine Werke ausstrahlen, sind auch in den geografischen Eigenschaften seiner Heimat zu finden. Das Aluminium ist ein leichtes, stabiles Material, das einfach zu verarbeiten und zu färben ist. Doch die Handhabung ist nicht alles. Die Modernität und Schweigsamkeit dieses Metalls harmonieren perfekt mit seinem im Norden geförderten Spürsinn und verlangen nach einer eigenen Kunstdarstellung. Genau das verwirklicht die Kreation scharfer und reicher Welten.
In den letzten Jahren experimentierte er mit Trägern, die nicht rechteckig sind. Es gab bisher einige Werke, bei denen er den mittleren Teil anhäufen ließ. Damit verwirklichte er die Koexistenz der visuellen und reellen Tiefe. Aber jetzt bei aktuelleren Werken führt er dreidimensional wirkende geometrische Formen oder Trapezformen ein. Außerdem legt er einen Teil der senkrechten Platten schräg an, so dass durch optische Täuschung der Effekt erzeugt wird, als wäre dort etwas gebrochen. Er ist sich sehr bewusst, dass das Gemälde eine illusionistische Welt ist, die auf einer Fläche dargestellt wurde. Dabei vertieft er sich in Gedanken, wie der Mensch die Formen registriert und die Plastizität oder die Tiefe wahrnimmt.